Unterrichtsinhalt |
»Who Lives, Who Dies, Who Tells Your Story?«
Das Musical Hamilton zählt zu den erfolgreichsten und interessantesten Broadway-Produktionen der letzten Jahre. Es erzählt die Lebensgeschichte von Alexander Hamilton, einem Immigranten, Revolutionär und dem ersten Finanzminister der Vereinigten Staaten. Der Stoff des Stücks bedient sich damit bei einer Kernerzählung der amerikanischen Gründungsgeschichte – und präsentiert sie in der Form eines Hiphop-Musicals. Der Komponist Lin-Manuel Miranda beschreibt Hamilton als die Geschichte eines "America then", erzählt aus der Perspektive eines "America now". Das spiegelt sich nicht nur in dem reichen musikalischen Mix aus Hiphop, R'n'B und Soul wider, sondern auch in der diversen Besetzung des Casts: Einer traditionell von weißen Männern dominierten Geschichte wird auf diese Weise ein neues Bild von einem diversen und vielfältigen Amerika gegenübergestellt – und das Publikum zum Nachdenken darüber angeregt, wer eigentlich Geschichte schreibt, wer sie erzählt und wer sie verkörpert.
Hamilton wirft auf diese Weise Fragen nach kultureller Repräsentation, Nation und Identität auf. Aber was ist das eigentlich – ›Identität‹? Was soll das sein – ›Repräsentation‹? Und warum lohnt es sich, aus musikwissenschaftlicher Perspektive über diese Phänomene nachzudenken? Mit diesen und ähnlichen Fragen werden wir uns im Laufe des Semesters beschäftigen. Um Antworten darauf zu finden, werden wir uns mit Schlüsseltexten der kritischen Theorie, der Postcolonial Studies und Gender Studies beschäftigen. Dieses Seminar wird also durchaus leseintensiv – allerdings werden wir das Gelesene immer in direktem Bezug zum Musical und in der Auseinandersetzung mit Musik diskutieren und auf diese Weise zur Anwendung bringen.
Darüber hinaus erarbeiten wir uns verschiedene methodische Ansätze zur Analyse eines musiktheatralen Werks, das uns primär in Videoform und nicht als Notentext vorliegt. Dabei werden wir uns auch mit den vielfältigen Erscheinungsformen des Musicals jenseits der Bühne auseinandersetzen und Hamilton als mediales Phänomen im Zeitalter von YouTube, TikTok & Co in den Blick nehmen. |